+49 (0) 179 5446065 mail@jan-langmaack.com

Auf Seegras, zwischen Steinen oder auf dem Sandboden sind sie anzutreffen. Ihr Erscheinungsbild ist so auffällig und wunderschön, dass sie sich vor Niemanden verstecken könnten, wenn sie sich nackt über den Meeresboden bewegen.

Sie sind weltweit die skurrilsten Lebewesen der Meere, die marinen Nacktschnecken. In zahlreichen Variationen, Formen und Farben kommen sie in allen Weltmeeren vor. Einige von ihnen werden aufgrund ihrer hervorragenden Tarnung eins mit dem Untergrund, andere heben sich farblich so stark ab, dass sie schon aus großer Entfernung nicht zu übersehen sind. Dabei werden viele dieser Tiere nur wenige Millimeter groß.

In der Ostsee ist die meist verbreitete marine Nacktschnecke die Drummonds Fadenschnecke. Sie kann eine Größe von knapp sechs Zentimetern erreichen und ist im Herbst und Winter zahlreich in den Küstenbereichen der westlichen Ostsee anzutreffen. Ihr Aussehen und ihre damit verbundene Auffälligkeit, ist neben der darin enthaltenen Schönheit, auch gleichzeitig ihre Absicherung, um ihre Feinde auf Abstand zu halten. Denn zu ihrem Schutz besitzen die Drummonds Fadenschnecken eine ganz ausgetüftelte Waffe.

Der Körper der Drummonds Fadenschnecken weist zahlreiche Cerata auf ihrem Rücken auf. Diese Hautauswüchse vergrößern die Hautoberfläche der Tiere und ermöglichen somit einen besseren Gasaustausch zwischen dem Tier und dem umgebenden Wasser. Die Drummonds Fadenschnecken sind Hinterkiemer und atmen über diese Hautauswüchse. Im Fall der Drummonds Fadenschnecke haben die Cerata aber noch eine weitere Funktion. Ein Verdauungstrakt befindet sich in ihrem Inneren und ermöglicht den Transport bestimmter Stoffe direkt in die Spitze der Cerata und es handelt sich in ihrem Fall dabei um einen ganz bestimmten.

Die Drummonds Fadenschnecken, die nach einem irischen Naturforscher benannt wurden, ernähren sich vorwiegend von Polypen, speziellen Braunalgen oder auch von Miesmuschelfleisch. Die Nesselgifte der Polypen sind allerdings für die Nacktschnecken vollkommen ungefährlich. Diese benötigen sie aber als Schutz vor ihren Fressfeinden. Durch den Verdauungstrakt in den Cerata ist es den Fadenschnecken möglich, die Nesselgifte, anstatt diese zu verdauen, in die Spitze der Cerata einzulagern. Sie selektieren sie einfach aus ihrer Nahrung. Somit besitzen die Fadenschnecken ein riesiges Arsenal von Giftpfeilen auf ihrer Körperoberseite in den weißen Spitzen, die bei Gefahrensituationen abgefeuert werden können. Da die Fadenschnecken selber keine dieser Nesselgifte herstellen können und diese von anderen Organismen aufnehmen müssen, werden diese Tiere auch als Kleptcocnide, sogenannte Nesseldiebe, bezeichnet.

Ein wunderschönes Tier, dass neben den zahlreichen charakteristischen Cerata, die weiß, gelb, orange oder rot aussehen können, am Kopf zwei Kopftentakel, sogenannte Rhinophoren, und zwei lange Mundtentakeln aufweist. Eine Fußtentakel am Ende des schmalen Körpers, die ebenfalls mit Nesselzellen versehen ist, macht dieses Tier zu einer wandernden giftbestückten Selbstschussanlage.

Die Nahrungsaufnahme und das Verwenden der Nesselgifte zum Eigenschutz sind nur eine Besonderheit, die diese Schnecken ausmachen. Die meisten marinen Nacktschnecken sind Zwitter, so wie auch die Drummonds Fadenschnecke. Sie besitzen Keimdrüsen, auch Zwitterdrüsen genannt, die während des Geschlechtsaktes wechselseitig benutzt werden. Somit kann bei der Fortpflanzung zweier Schnecken, jeder die Rolle als Weibchen und Männchen einnehmen. Ist der Geschlechtsakt vollzogen,

werden die Eizellen nicht zwingend sofort durch die Samenzellen befruchtet, sondern die Samenzellen können auch für einige Zeit zwischengelagert werden, bis die Befruchtung durchgeführt wird. Anschließend wird der Laich der Drummonds Fadenschnecken in einer gallertartigen Schutzhülle in Schüren an sämtlichen Gegenständen, Pflanzen oder auch Tieren in dem Lebensraum der Schnecken angebracht. Die Anzahl der Eier pro Gelege kann in einen fünfstelligen Bereich gehen. Nach dem Schlüpfen leben die Jungtiere zeitweise als Plankton im Meer bis sie nach einiger Zeit auf den Meeresboden sinken und dort, zu der meist verbreitetsten marinen Nacktschnecke in der Ostsee werden.

Neben den Drummonds Fadenschnecken leben aber alleine in der Flensburger Förde noch über zehn weitere Nacktschneckenarten, die auf ganz unterschiedliche Anpassungen und Schutzmechanismen zurückgreifen. Die grüne Samtschnecke, die in der ersten Ausgabe dieser Folge vorgestellt wurde, behilft sich des Sonnenlichts, alle anderen haben einen anderen, ebenfalls spannenden Weg im Laufe der Evolution eingeschlagen, um ihre ökologische Nische zu nutzen.

 

„Die erste Begegnung mit dieser Schnecke zog mich in einen Bann, der mich sie immer wieder aufs Neue suchen lässt.“

Steckbrief:
Name: Drummonds Fadenschnecke
Wissenschaftlicher Name: Facelina bostoniensis
Größe: Bis 6 cm
Kennzeichen: Zahlreiche Cerata auf dem Rücken mit weißen Spitzen
Lebensraum: Mittelmeer, Atlantik, Nordsee und westliche Ostsee
Verbreitung: Zwischen Steinen, auf Seegras und auf Miesmuschelbänken im Flachwasserbereich
Nahrung: Polypen, Braunalgen und Miesmuschelfleisch
Besonderheiten: Lagert Nesselgifte ihrer Nahrung in ihrem Körper ein als Schutz vor Feinden
Drummond Fadenschnecken in unterschiedlichen Farben

Drummond Fadenschnecken in unterschiedlichen Farben

Drummond Fadenschnecke auf Seescheide Jan Langmaack

Drummond Fadenschnecke auf Seescheide

Cerata mit Nesselspitze Jan Langmaack

Cerata mit Nesselspitze

Fadenschnecke die sich durch die Strömung treiben lässt Jan Langmaack

Fadenschnecke die sich durch die Strömung treiben lässt