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Die drei großen marinen Ökosysteme werden Nekton, Plankton und Benthos genannt.

Nekton ist die Sammelbezeichnung für die im freien Wasserraum (Pelagial) lebenden, meist großen Organismen. Sie sind in der Lage einen aktiven Ortswechsel durchzuführen. In Seen zählen zum Nekton nur die Fische, im Meer auch Kopffüßer, einige Krebstiere, Reptilien und Säugetiere.

Zwischen Nekton und Plankton bestehen viele Übergangsstufen, gerade in der Entwicklung von juvenilen zu adulten Tieren, deren Larvenstadium meist planktonisch ist.

Das Plankton umfasst alle frei im Wasser treibenden und schwebenden Organismen, die nur geringe oder gar keine Eigenbewegung besitzen. Ihre Schwimmrichtung ist von den Wasserströmungen abhängig. Sie driften passiv umher. Das Meerwasserplankton wird als Haliplankton, das Süßwasserplankton als Limnoplankton bezeichnet.

Benthos fasst die Gesamtheit aller am Grund und im Untergrund lebenden Organismen der Gewässer und Meere. Dieser Bereich wird auch Benthal genannt. Sowohl die festsitzenden (sessilen) wie auch alle kriechenden, laufenden oder vorübergehend schwimmenden Bodentiere werden dem Benthos zugeordnet. Ebenso wie beim Nekton ist bei zahlreichen Organismen eine Übergangsstufe zum Plankton im Larvenstadium gegeben.

 

Die Unterwasserwelt wird in einzelne Zonen unterteilt, die den charakteristischen Aufbau beschreiben. In der Flensburger Förde ist diese Aufteilung, auch Zonierung genannt, wie folgt:

Wir beginnen direkt an der Wasserlinie, wo der Psammal (Sandboden) bis in eine Wassertiefe von circa einem halben bis eineinhalb Meter reicht. Er wird als submerser Lebensraum bezeichnet, der kontinuierlich und komplett mit Wasser bedeckt ist. Durch die ständige Bewegung des Wassers in diesem Bereich kann sich Detritus und Plankton als Nahrungsgrundlage nicht ablagern. Dieser Lebensraum wird daher auch als ein Lebensraum der Artenarmut bezeichnet. Die Lebewesen siedeln sich in den verschiedenen Tiefen des Untergrunds an. Charakteristisch für den Psammal ist die Sandlückenfauna. Zwischen den Sandkörnern befinden sich zahlreiche Hohlräume, die von den Lebewesen bewohnt werden. Im Boden finden zahlreiche Muscheln, wie auch die Sandklaffmuschel, die mit Hilfe ihrer Siphone von der Sandoberfläche Sauerstoff und Nahrung bezieht. Sie werden als Strudler bezeichnet, da sie mit Hilfe ihres Siphons das Wasser durch ihren Körper strudeln. Mithilfe eines kleinen Grabfußes gräbt sie sich im Laufe ihres Lebens immer tiefer in den Boden, um sich vor Fressfeiden zu schützen. Die Tiefe der Muschel lässt Rückschlüsse auf ihr Alter ziehen. Neben der Mischmuschel befindet sich auch der Wattwurm sehr häufig im Boden des Psammals. Lebend in seinen u-förmigen Röhren ist der Kothaufen an der Oberfläche sein charakteristisches Erkennungsmerkmal.

Auf den Psammal folgt die Zosterawiese (Seegraswiese). Sie erstreckt sich von drei bis fünf Meter Wassertiefe. Seegras gehört zu den wenigen maritimen Blütenpflanzen der Ostsee und blüht mit schottenartigen hellen Blüten nur im Sommer. Das Seegras wächst recht hoch und wird daher auch immer wieder von Wellen im Sturm abgerissen und an den Strand getragen. Dort finden wir es als braun-schwarze „Graspfetzen“ wieder, die früher als Füllmaterial für Bettdecken verwendet wurden. Das Seegras ist ein komplexer Lebensraum für zahlreiche Organismen. Es wird auch als Kinderstube der Meere bezeichnet, denn die Grashalme bieten den juvenilen Organismen gute Versteckmöglichkeiten vor ihren Fressfeinden. Zu den häufig anzutreffenden Bewohnern der Seegraswiese gehören Seesterne, Schwämme, Schwebegarnelen und natürlich zahlreiche Jungfische. Auf den Blättern des Seegrases leben die Organismen nur temporär, da das Seegras im Herbst seine Blätter abwirft.

Aus diesem Grund sind Fadenschnecken, die zu den Nacktschnecken gehören, nur im Frühjahr in der Seegraswiese anzutreffen, um dort ihre Laichfäden um die Blätter des Seegrases zu wickeln. Kleine Miesmuscheln siedeln auf den Blättern des Seegrases, die wiederum die Nahrung für Seesterne darstellen. Neben den Asseln, die die Blätter abgrasen leben auch viele andere Tiere mit dem Seegras in Symbiose oder Epibiosis. Der Seestichling ist einer der faszinierendsten Bewohner der Seegraswiese. Sein architektonisches Nest, das die männlichen Fische zur Anlockung der Weibchen in der Paarungszeit bauen, wird netzartig zwischen den Seegrashalmen und Stängeln platziert. Ein sehr spannendes zu beobachtendes Schaubspiel. Bei den Seenadeln, die mit dem Seestichling verwandt sind, ist wie beim Seestichling zu beobachten, dass die Männchen das Nest nach der Eiablage bewachen und den Eiern immer frisches Wasser zufächeln.

An die Seegraswiese schließt die Mytilusbank (Miesmuschelbank) an, die in eine Tiefe von zwölf bis fünfzehn Meter reicht. Miesmuschelbänke siedeln sich oberhalb der Sprungschicht an, wobei es in den Sommermonaten kurzzeitig vorkommen kann, dass die Thermokline-Sprungschicht innerhalb der Miesmuschelbank ist. Der Grund für die Ansiedlung oberhalb der Thermokline ist, dass neben dem starken Temperaturabfall auch häufig einen Salinitäts- und Sauerstoffunterschied unterhalb der Sprungschicht vorherrscht.

Miesmuscheln siedeln sich primär dort an, wo genügend Sauerstoff vorhanden ist. Als Strudler filtern sie das Wasser und nehmen neben Plankton und Detritus auch zahlreiche Schadstoffe aus dem Wasser auf. Aufgrund ihrer hohen Filtrierleistung von 40-50 Litern Wasser pro Tier pro Tag, beeinflussen sie die Wasserqualität spürbar. Dieses lässt sich auch daran erkennen, dass das Wasser bis zu einigen Zentimetern über der Miesmuschelbank sehr klar ist. Um sich anzusiedeln benötigen Miesmuscheln zwingend Hartsubstrat. Mit Hilfe ihrer an ihrem Fuß befindlichen Drüse, können sie kleine Klebefäden (Byssusfäden) produzieren. Diese dienen dazu sich zu verkleben und zu verankern. Miesmuscheln verkleben sich auch gegenseitig was dazu führt, dass die Miesmuschelbank gefestigt wird. Die starken Klebekräfte der Byssusfäden halten sie Miesmuscheln zusammen und nur mit viel Kraft können einzelne Tiere entfernt werden.

Miesmuscheln sind häufig von Seepocken besiedelt aber auch Seesterne, Strand- und Schwimmkrabben und Seescheiden und Seenelken leben auf der Miesmuschelbank. Zwischen den Miesmuscheln im Boden leben zahlreiche Würmer und andere kleinere Organismen, die sich von Detritus ernähren.

Seescheiden strudeln ihre Nahrung aus dem Wasser, welches durch den Kiemendarm im inneren der Seescheide gedrückt wird. Der Seestern ist neben Wasservögeln der größte Feind der Miesmuscheln. Durch das Auseinanderziehen der Muschelschalen mit Hilfe seiner kleinen Füße kann er ein Verdauungssekretes ins Innere der Muschelschalen drücken und sie so verspeisen.

Auf die Miesmuschelbank folgt der Weichboden, auch Pelos oder Endofauna genannt. Der Pelos ist die Ruhestätte des Detritus, der sich auf dem Meeresboden sammelt. Der Detritus setzt sich aus organischen und anorganischen Teilchen zusammen. Hier findet sich auch immer wieder Müll des Menschen. Die meisten Organismen im Pelos leben im Untergrund und sind damit auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Nicht verwunderlich, dass bei oberflächlicher Betrachtung der Weichboden artenarm aussieht. Allerdings befinden sich gut 150 Tierarten im Weichboden der Ostsee. Vielborster (Polychaeta), zu denen die Seeringelwürmer zählen und Wenigborster (Oligochaeta) sind neben Muscheln, wie der Pfeffermuschel oder Islandmuschel, stark vertreten. Sie sind meist nachaktiv und daher nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Aber auch Seesterne sind immer wieder auf dem Weichboden anzutreffen, wenn sie sich über Aas hermachen. Im Pelos finden zahlreiche Zersetzungsprozesse des Detritus statt. Unter Verbrauch von Sauerstoff werden die Nährstoffe und Mineralstoffe wieder aufgespalten und dem Wasser zurückgeführt.

 

Abiotischen Faktoren (physikalische und chemische Einflüsse der unbelebten Umwelt) beeinflussen den Aufbau der Unterwasserwelt. So wird der Psammal durch die Wasserbewegung, die Tiefenstruktur und die Strömungsbeschaffenheit in seiner Ausdehnung beschränkt.

Die Wasserbewegung ist der Faktor, der die Ausbreitung der Zosterawiese im Flachwasser beeinflusst. Durch die Dünung und die damit verbundenen physikalischen Kräfte, die das Wasser auf die marinen Blütenpflanzen und ihre Bodenverankerung ausübt, wird die Tiefengrenze im Flachwasser definiert. Die Ausbreitung in tiefere Bereiche ist abhängig von der Qualität des Wassers und des Sonnenlichts. Schwebstoffe im Wasser beeinträchtigen das Eindringen des Sonnenlichts in die tieferen Wasserschichten und beeinflussen somit die photosynthetische Leistungskapazität des Seegrases. Je mehr Schwebstoffe im Wasser vorhanden sind, umso weniger Sonnenlicht dringt in die Tiefenbereiche vor.

Die Ausdehnung der Mytilusbank ins Flachwasser wird durch die Vögel als Fressfeinde und die Ausdehnung der Zosterawiese begrenzt. Unterhalb von Sprungschichten kommt es immer wieder zu kurzzeitigen Sauerstoffmangel. Dieses beeinflusst die Ausbreitung in die Tiefe. Auch Wasserströmungen, die meist unterhalb der Sprungschichten anders und deutlich schwächer verlaufen und somit weniger Detritus und filtrierbare Nahrung zu den Miesmuscheln spülen, dienen als wichtiger Faktor bei der Ausdehnung. Der Zustand einer Miesmuschelbank bietet daher einen guten Indikator für den Sauerstoffgehalt des Wassers an nicht strömungexponierten Gebieten.

Der Pelos bildet für die Tiefe den Lebensraum. Die Ausbreitung dieses Bereiches ist durch die Erstreckung der Miesmuschelbank im falscheren Bereich definiert. Strömungen und die Bodenbeschaffenheit nehmen ebenfalls Einfluss. An stark strömungsexponierten Gebieten ist das Ablagern von Detritus kaum möglich, da dieser sich nicht ablagern kann und von der Strömung an strömungsärmere Stellen transportiert wird.

 

Der Aufbau der Unterwasserwelt in der Flensburger Förde stellt einen wesentlichen Faktor für die vorhandene Biodiversität dar. Die Seegraswiese dienen als Kinderstube juveniler Tiere, die als größere Tiere mit der Miesmuschelbank eine weitere gute Nahrungsquelle vorfinden. Auch die im Freiwasser lebenden Fische nutzen die Miesmuschelbank als Nahrungsgrundlage. Forellen jagen auch immer wieder in der Seegraswiese.

Die Organismen haben sich an die unterschiedlichen ökologischen Nischen der Flensburger Förde sehr gut angepasst. Wird aus Ausbreitung der Seegraswiese minimiert, fehlt der schützende Bereich für die juvenilen Tiere. Durch eine Reduzierung der Miesmuschelbänke wird den juvenilen und auch adulten Tieren ein Großteil ihrer Nahrungsgrundlage genommen. Eine chronische Sauerstoffunterversorung in den tieferen Bereichen kann dafür schon ausreichend sein. Dieses führt dazu, dass adulte Tiere, die die Miesmuschelbank zur Nahrungsaufnahme oder zur Vermehrung aufsuchen, aus diesen Gebieten abwandern. Für unseren einzigen heimischen Wal, den Schweinswal, würde damit ein Großteil seiner Nahrungsgrundlage wegbrechen. Die negativen Auswirkungen führen dazu, dass die im Pelos zu zersetzenden Zellbestandteile bei ihrem Abbau den Sauerstoff auf dem Wasser ziehen. Eine kontinuierliche Reduzierung des vorhandenen Sauerstoffs wäre die Folge. Ist nicht mehr genügend Sauerstoff vorhanden, würden die Abbauprozesse unter sauerstoffausschuss weiter ablaufen und giftigen Schwefelwasserstoff und Ammoniak erzeugen. Zahlreiche Lebensformen im Weichboden wären nicht mehr in der Lage zu überlegen und würden den Anteil an zu zersetzendes Material noch weiter erhöhen, welches den Prozess verstärkt.

Bricht ein Bereich der Zonierung weg oder wird stark in seiner Ausbreitung beeinflusst, wären die Folgen für die komplette Biodiversität er Flensburger Förde gravierend.

Immer wieder auf dem Psammal zu finden gut getarnte juvenile Plattfische Jan Langmaack

Immer wieder auf dem Psammal / Sandboden zu finden gut getarnte juvenile Plattfische

Zosterawiese im Sonnenlicht Jan Langmaack

Zosterawiese / Seegraswiese im Sonnenlicht

Mytilusbank Jan Langmaack

Mytilusbank / Miesmuschelbank

Pelos mit Seestern der nach Ass sucht Jan Langmaack

Pelos / Endofauna / Weichboden mit Seestern der nach Ass sucht